Wo ist mein "Che Guevara" T-Shirt
Weg natürlich – längst entsorgt. Schließlich habe ich es im Summer of sixty nine erworben. Wo, weiß ich nicht mehr ganz genau, aber ich vermute, es war in Saint Tropez. Dort musste man hin. Wer was auf sich hielt in dieser Zeit, war mindestens einmal in St. Trop. Und da sind mir diese Typen mit dem tollen T-Shirt aufgefallen.
Ein Kumpel hatte ein schneeweißes Fiat 1500 Cabrio; klar, dass man mit dem nach St. Tropez fuhr und nicht mit meinem -ebenfalls weißen- Käfer. Dass die Reifen eigentlich total heruntergefahren waren: Wen störte das seinerzeit? Immerhin sind wir wieder heil nach Hause gekommen.
Zugegeben: Ich hatte keine Ahnung, wer Ché war. Ich war ein ziemlich unpolitischer Mensch; auch bei den berühmten 68-ern, die meiner Heimatstadt Biberach zu einiger Berühmtheit verholfen hatte, war ich bestenfalls Mitläufer. Aber nur, weil man dabei sein musste und weil mein Jugendschwarm eine wichtige Rolle spielte.
Wenn Sie heute eine Fernsehsendung sehen, bei der der damalige Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger vor einem Fachwerkhaus steht und laut brüllend von einer Meute Heranwachsender am Reden gehindert wird, war das in Biberach auf dem Marktplatz, direkt vor dem Gebäude der „Schranne“. Aber wie gesagt, ich war nur Mitläufer. Einer der legendären Anführer der bundesweit zu Ruhm erlangten Biberacher A.P.O., Ecke Leupolz, oder Martin Heilig trug damals schon ein Shirt mit Ché Aufdruck.
68ER- REVOLTE IN DER PROVINZ Der Rotbart von Biberach
Also musste so ein T-shirt her. Lange Zeit habe ich es getragen, weil mir dieser Ché sympathisch war. Nach dem zusammengeschossenen Prager Frühling endlich einmal ein Kommunist, der keine sowjetische Prägung hatte und der den Sozialismus mit bodenlosem Enthuasiasmus in die Welt hinaustragen wollte. Eine Erscheinung, der es nicht um diktatorische Macht zu gehen schien, sondern um das Wohl der Menschen. Jemand der nicht so war, wie viele linke Politiker damals: Wasser predigen und Wein trinken.
Jahrzehnte später habe ich ihm abgeschworen. Es muss ungefähr zwischen 2005-2008 gewesen sein. Las Palmas, Calle Triana. Einkaufsparadies in der zollfreien Hauptstadt der Kanaren. Da konnte sich meine bessere Hälfte schon mal stundenlang verlustieren zwischen all den Shops, wo man internationale Labels zu Schnäppchenpreisen erwerben konnte. Ich setzte mich auf eine der zahlreichen Ruhebänkchen und sah dem bunten Treiben in dieser etwas südamerikanisch wirkenden Metropole zu. Menschen kamen und gingen, setzten sich zu mir auf die Bank und gingen weiter. Plötzlich spricht mich ein älterer Mann an (Für mich war das ein alter Mann. Nachdem er aber damals mein heutiges Alter hatte, spreche ich lieber von einem älteren Mann). Mein Spanisch war genau so schwach, wie sein Deutsch, also unterhielten wir uns auf Englisch. Es war einer der zahlreichen Exil-Kubaner, die in Las Palmas leben. Man sagt, das Klima sei dem von Havanna sehr ähnlich.
Irgendwann kam die Sprache auf Fidel Castro und Dr. Ernesto „Ché“ Guevara. Wort- und gestenreich machte mich der Mann darauf aufmerksam, dass das fürchterliche Verbrecher und Mörder wären. Naja, ein Exilkubaner, der vor Fidel Castro flüchten musste. Der konnte nichts anderes sagen. Vielleicht Castro, aber doch nicht Ché, entgegnete ich. Dann erzählte mir dieser Mann eine Geschichte, die ich kaum glauben konnte und, zuhause angekommen, erst einmal nachprüfen musste. Castro ließ Ché die Drecksarbeit machen und die Bande um den einstmaligen Machthaber Battista komplett hinrichten. Gut, das waren ganz sicher keine Waisenknaben, aber doch nicht Ché. Hinrichtung ohne ein ordentliches Gericht? Guevara ein Massenmörder? Glaube ich nicht. Außerdem sollen die Beiden mit dem ehemaligen Nazi und SS Mann Otto Skorzeny (den habe ich in meinem Buch „Mord am Schützensamstag“ beschrieben) zusammengearbeitet haben. Guevara mit einem Nazi? Niemals!
Dennoch machte mich der alte Mann nachdenklich; also recherchierte ich nach. Und tatsächlich. Alles, was mir dieser Mann erzählt hatte, entsprach der Wahrheit. Zwar wurde die Zusammenarbeit mit Skorzeny nie bewiesen. Die Hinweise aber, dass es stimmen soll, seien sehr dicht.
Ché war für mich der Inbegriff des demokratischen, revolutionären Sozialisten. Einer der für die gerechte Sache in der Welt kämpft. Keiner dieser leider immer wieder vorkommenden Sozis, die nach dem Motto leben: “Greife in die Staatskasse und erzähle, Du würdest Gutes tun!“ Sehr gut eigentlich, dass mein altes T-Shirt längst entsorgt ist. Vermutlich war der Aufdruck vergilbt, oder ich habe es irgendwo liegen lassen. In dem Fall sowieso egal. Und gut, dass das Fotografieren damals noch relativ teuer war; kein Bild von Uli Herzog mit Ché Guevara T-Shirt besteht meines Wissens.
Im Übrigen stört mich heute auch der Uli Herzog aus dem Summer of sixty-nine. Gerade ist eine Beziehung in die Brüche gegangen; ich habe einen Job, der gar nicht zu mir passt und zu dem vor allem ich nicht passe (Gartenbedarf und Samenhaus, wo ich doch absolut keinen grünen Daumen habe. Als dann noch Vögel verkauft wurden, war für mich mit meiner Vogel-Phobie klar: Das war’s). Der Uli Herzog von 1969 war ein unangenehmer Zeitgenosse, ja sogar ein richtiger Kotzbrocken. Erst als ich danach in die Wohnwagenbranche wechselte und kurze Zeit später meine spätere bessere Hälfte kennen lernte, wurde der Kerl wieder einigermaßen normal. Und schon im Herbst 1971 begann meine Karriere in der Werbung und dabei gings zum ersten Mal nach Wien. Zunächst nur hin und wieder, dann immer öfter.