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Wiener Schmäh

Allüberall wird die Legende vom Wiener Schmäh erzählt.
Das ist eine Abart des „Schwarzen Humors“ in breitestem
Wiener Dialekt. Schmäh kann sowohl wahr sein, als auch erfunden.
In der Regel ist er aber erfunden. Nicht umsonst fragt der Wiener,
wenn er sich belogen fühlt. „Führst mi in Schmäh?“
Man könnte Seiten füllen über die Art und Weise des Schmäh.
Am besten erzähle ich eine Geschichte, die ich in den 70-er
Jahren selbst erlebt habe, um Ihnen den Wiener Schmäh nahe
zu bringen.

Mein erstes Büro hatte ich in Wien auf der vornehmen Mölker
Bastei/Ecke Schottengasse. Gleich daneben war die OPEC, bei
der der legendäre Überfall mit Carlos stattgefunden hatte, und
die Universität. Auch der Ring und die Votivkirche lagen in Schrittnähe.
Und auch die Hauptstelle einer riesigen Bank. Dieser Ringstraßenbau
war sehr repräsentativ. Direkt davor eine der zahlreichen Würstelbuden
in Wien, deren Besitzer man schon immer einen „guaden Schmäh“
nachsagte. Manche Würstlkunden suchten sich sogar die Buden nach
dem Verkäufer mit dem besten Schmäh aus.

Alleine schon die Bezeichnung der Ware ist feinster Wiener Schmäh.
Eine Rote Wurst wird ein „Burenhäutl“ genannt.
Ein Käseknacker eine „Eitrige“
Der Brotanschnitt (schwäbisch Riebale) heißt „Bugl“
Eine Essiggurke (Pflichtbeilage zur Wurst in Wien) „Krokodil“
Eine Büchse Bier „16-er Blech“, nach der Herkunft der Ottakringer Brauerei im 16. Gemeindebezirk.
In meinem Buch „Endstation Biberach“ bin ich auf diese Bezeichnungen eingegangen. (Seite 196-197)

Eines Tages, die Zeit war wie so oft für ein Mittagessen im Restaurant zu knapp,
ging ich kurz zum Würstelstand vor der Bank. Er war ja nur vis a vis.

Ein „Sandler“ (Wohnsitzloser), ziemlich stark alkoholisiert, trat zum Wüstelstand
„A Burenhäutl, a Krokodü und a 16-Blech. Zoihn dur i murgn“ (Eine Rote mit
Essigkurke und eine Büchse Bier. Bezahlen tu ich morgen). Keine Reaktion. Der
Würstelverkäufer nahm keine Notiz von dem Mann.
„Heast, bist terisch, wüüst ma meine Bestellung net ausgebn?“ (Bist Du taub Mann?
Gib mir sofort meine Bestellung).

Antwort des Würstlverkäufers: „Siggst dees, do hinter mia is a Bank. Mia hobn a
Vereinbarung: Die verkaufen kaane Wirscht und i vergib kaane Kredite“ (Siehst Du
die Bank hinter mir? Wir haben eine Vereinbarung: Sie verkaufen keine Würste und
ich vergebe keine Kredite.)

Inwieweit man diese teilweise doch sehr rassistischen Begriffe noch verwendet, entzieht sich meiner
Kenntnis. Und „genderfähig“ sind diese Äußerungen sicher auch nicht. Aber sie zeigen
halt ein wunderbares Stück Wien des vorigen Jahrhunderts.

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