Chrischtkindle
Mein schönstes „Chrischdkendle raalau“
Neben der „Schütza“ gehört für einen gebürtigen Biberacher, der dort aufgewachsen und in die Schule gegangen ist, das Christkindle rablassa zu den herausragenden Ereignissen während des Jahres.
Für mich gab es im Jahr 1954 ein Chrischkendle raalau, wie wir Kinder es damals nannten, welches sich unvergesslich in mein Gedächtnis eingebrannt hat. Im Spätherbst dieses Jahres grassierte in der Stadt die „Gelbsucht“ unter Kindern im Vorschulalter. Hepatitis A nennt man das heute. Auch mich hatte es ziemlich übel erwischt und zeitweise war gar nicht so sicher, ob es der kleine und schmächtige (man mag es heute kaum glauben) Bub schaffen würde.
Das staatliche Gesundheitsamt konnte die Quelle des Erregers ziemlich schnell ausmachen, denn alle infizierten Kinder waren evangelisch und alle besuchten den ev. Kindergarten am Ratzengraben.
Wochen- nein monatelang musste ich das Bett hüten. Mir war immer hundeelend und ich spie mir die Seele aus dem Leib. Lange konnte ich die Nahrung nicht bei mir behalten, mit Ausnahme von rotem Traubensaft. Eine immense finanzielle Belastung für meine Eltern, denn das so genannte Wirtschaftswunder war gerade erst im Anlaufen. Langsam, ganz langsam besserte sich mein Zustand. Die Übelkeit wurde dann jeden Tag ein bisschen weniger und auch die gelbe Farbe wich aus meinem Gesicht. Am dritten Advent durfte ich das Bett verlassen.
Dann kam der 24. Dezember. Heiligabend. Am Morgen kam Dr. Gröschel (so hieß er, glaube ich), unser Hausarzt und meinte, dass der Uli heute Abend zum Chrischtkindle rablassa darf. Die Freude darüber war unermesslich. Man stelle sich einmal vor: Seit Oktober hütete ich das Bett, erst kurz zuvor durfte ich aufstehen und nun darf ich zum ersten Mal das Haus verlassen und zum Christkindle raalau gehen. Am Nachmittag baute Vater noch die Märklin Eisenbahn auf und der Christbaum wurde geschmückt. Ungefähr um 17 Uhr kam die Verwandtschaft. Dass vor allem ich mit einem besonderen „Hallo“ begrüßt wurde, war meiner Krankheit geschuldet. Danach stapften wir durch den Schnee zum Spitalhof, wo das Christkind zu diesem Zeitpunkt noch herab gelassen wurde. Den Lebkuchen, den alle Kinder erhielten, durfte ich natürlich noch nicht essen, was meine Schwester besonders freute, denn den bekam sie.
Als dann das Christkind beim „Stille Nacht“ herabkam, war mein Glück perfekt. Dass meinen Eltern dabei die Tränen herabliefen, hat mich kleinen Knirps damals schon verwundert, denn ich wusste ja nicht, wie es wenige Wochen vorher um mich gestanden hat.
